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28 Männer helfen sich selbst

Weshalb ist ein menschliches Gebilde

wie der Bund der Waldstätte überhaupt entstanden und wieso gerade auf der Nordseite des Gotthardpasses? Darüber sind schon dicke Bücher mit vielen Erklärungen geschrieben worden; denn diese Gründung ist ein Wunder der Geschichte. Ebenso rätselhaft bleibt, wieso gerade 28 Männerin England es fertigbrachten, jenes Vorbild der Konsumgenossenschaft zu erdenken, dank dessen heute viele Millionen Konsumenten auf der ganzen Welt gegen Preistreiberei und menschliche Bedrückung überhaupt sich erfolgreich zu wehren vermochten. Wie dies geschah, erzählen die nächsten Seiten.

Rochdale (lies Rotschdehl) ist heute eine weltbekannte Stadt,

so bekannt, wie Basel durch seine Wissenschafter, wie Zürich durch Pestalozzi, wie Genf durch Henri Dunant. Das kam durch die Tatkraft von 28 armen Männern, meist Textilarbeiter. Diese 28 sind ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man den Kopf unter keinen Umständen verlieren darf, wie schlecht es auch gehen mag, dass man mit Zähigkeit etwas fertig bringt in der Welt, wenn man nur fest zusammenhält und miteinander spart.

Zusammenhalten und Sparen!

Darauf beruht alles Vorwärtskommen. Alle Familien, die es zu etwas brachten, von den Vätern zu den Söhnen und Enkeln, haben so gehandelt. Aber nicht nur in der Familie gelten diese Grundsätze, sondern überall.

Vereinte Kraft Grosses schafft!

Traurig waren die Zustände in Rochdale vor 100 Jahren.

Neunjährige Kinder mussten 16 Stunden täglich arbeiten, während die Familienväter fast nichts mehr verdienten. Die Arbeiterfamilien waren an die Läden verschuldet und deshalb gezwungen, dort auf Borg zu kaufen. Dabei betrog man sie erst noch im Gewicht und an der Warenqualität. So wurde das Elend immer grösser. Und dazu kam der Winter 1843/44, grau, neblig, hoffnungslos. Da kamen die 28 zusammen und beratschlagten, was zu tun sei.

Gerade die Not bringt kluge und tatkräftige Menschen auf die besten Gedanken. Auch die Eidgenossenschaft ist nur deshalb entstanden, weil die Männer der Urkantone von den mächtigen Habsburgern immer mehr bedrängt wurden.

Vereinte Kraft Grosses schafft!

Wollweber waren diese Männer von Rochdale,

arm wie Kirchenmäuse, denn die scharfe Konkurrenz brachte sie oftum allen Verdienst. Sie wussten nicht mehr, wie sie ihre Familie durchbringen sollten, weil sie so schlecht oder gar nichts verdienten. Auswandern ? Nein, in ihrerHeimat wollten sie bleiben! ZurArmenpflege ? Nein, auf eigenen Beinen wollten sie stehen! Selbst ein Unternehmen wollten sie gründen, um sich die nötigen Lebensmittel zu beschaffen. Geld hatten sie keines, kaufmännische Erfahrung auch nicht, aber gesunden Menschenverstand und den Mut, der sich bei den Tüchtigen da einstellt, wo andere in Verzweiflung geraten.

Auch die alten Eidgenossen hätten seinerzeit auswandern können, um der Macht der Habsburger zu entgehen. An Platz war damals noch kein Mangel in den Nachbarländern. Und manche Gegend, die milder ist, hätte die tüchtigen Bauern wohl aufgenommen. Aber sie hielten zusammen und blieben.

Vereinte Kraft Grosses schafft!

20 Rappen pro Woche.

Die Wollweber von Rochdale erkannten: „Durch Zusammenstehen und Sparen kommt man zum Ziel.“ Also beschlossen sie zunächst, eisern zu sparen. Wöchentlich wollten sie 2 Pence (=20 Rappen) pro Mann aufbringen. Wenn man nichts hat, ist das viel. Sie wollten eine Konsumgenossenschaft gründen, um für sich selbst als ihre eigenen Unternehmer alle Lebensmittel kaufen zu können. — Dass so das Volk aus eigener Kraft sich helfen könne und müsse, um aus dem Elend zu kommen, hatte man wohl vorher erkannt. Aber noch niemand hatte damals eine Konsumgenossenschaft lebenskräftig durchgesetzt.

In unserem Lande hatte schon 50 Jahre zuvor Vater Pestalozzi erkannt: Nicht mit Almosen wehrt man dem Elend. Das Volk muss sich wirtschaftlich seihst zu helfen wissen, um vorwärts zu kommen.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Am 24. Oktober 1844

gründeten diese Männer die „Rochdaler Konsumgenossenschaft der redlichen Pioniere“. Denn sie hatten nach angestrengtem Sammeln ganze 28 Pfund = 700 Franken zusammengebracht. Und sie hatten sogar die Kühnheit, in ihren Satzungen als Ziele zu nennen: „Eröffnung von Läden für Kleider und Lebensmittel, Kauf und Bau von Häusern, Erwerb von Landwirtschaft, Fabrikation, Allgemeine Verbesserung des Lebensstandes der Arbeiterschaft.“ Das nahmen sich die 28 mit ihren 700 Franken vor. Denkt man nicht an Kolumbus, der mit Nussschalen den Ozean bezwingen wollte?

1863 gründeten —genau wie in Rochdale — Textilarbeiter in Schwanden (Kanton Glarus) einen Fabrikarbeiterverein, der zunächst ein „Warengeschäft“ führte. Daraus entstand die erste Konsumgenossenschaft nach Rochdaler Grundsätzen. 1865 trat der Allgemeine Consumverein Basel ins Leben.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Als Leiter ihrer Konsumgenossenschaft

bestimmten die Redlichen Pioniere Jakob Daily (sprich Deili), Karl Howarth (sprich Hauwers), Jakob Smithies (sprich Smissis), Wilhelm Cooper (sprich Cuper). Später wurden alle vier zu bedeutenden Leitern von grossen genossenschaftlichen Unternehmungen. Diese Männer hatten etwas kaufmännisches Geschick, verstanden die Buchführung und wussten Protokolle zur Aufzeichnung ihrer Beschlüsse zu führen. Dies zu können ist für Wollweber und die meisten Menschen keine Selbstverständlichkeit. Aber alle tüchtigen Menschen wachsen mit ihren Aufgaben; sie schulen sich an den Widerwärtigkeiten, die sie überwinden müssen.

Auch die alten Eidgenossen hatten nie Vorlesungen über Staatsrecht gehört. Aber sie waren Mitglieder von Alp- und Talgenossenschaften. Dadurch waren sie geschäftskundig geworden und fähig, ihre Staaten zu regieren. Die Konsumgenossenschaft ist die Schule des Staatsbürgers.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Der erste Laden

der Redlichen Pioniere von Rochdale wurde am 21. Dezember 1844 in der Krötengasse eröffnet. Schon die Strassenbezeichnung verrät, dass das Quartier nicht vornehm war. Das Warenlager bestand aus Mehl, Butter, Zucker und Hafergrütze für zirka 3—400 Franken. Alles war so ärmlich eingerichtet, dass zuerst niemand den Mut fand, auch nur den Laden zu öffnen.

Man soll sich nie scheuen, bescheiden anzufangen. Denn so begannen die meisten Werke, welche nachher gross geworden sind. Auch die Konsumgenossenschaften der Schweiz, von denen manche für Millionen jährlich verkaufen, begannen alle als kleine „Lädeli“.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Erst verlacht — später bewundert.

Es ist das Los aller Pioniere, dass sie anfänglich verspottet werden. Kolumbus, Galilei, Fulton, Stephenson, Pestalozzi — fast alle Männer, die etwas Grosses wagten, wurden zuerst für Narren erklärt. Denn was dem Menschen über den eigenen Verstand hinausgeht, das hält er für verrückt. So wurden die 28 redlichen Pioniere bei der Eröffnung ihres Konsumgenossenschaftsladens von der ganzen Stadt Rochdale ausgelacht. — Aber siehe, die Leute begannen zu kaufen, zuerst aus Neugier, nachher weil sie sahen, dass die Pioniere wirklich redlich waren.

Auch über die Kuhhirten, welche sich anmassten, einen Staat zu gründen, hat man vor 650 Jahren gelacht. Nicht die Zahl der Mitläufer, noch die Geldmittel sind massgebend für den Erfolg, sondern Verstand und Tatkraft.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Es gibt Zuzug!

Mit 700 Franken hatten die redlichen Pioniere 1844 ihre Konsumgenossenschaft eröffnet. Ende 1845 zählten sie schon über 80 Genossenschafter mit einem Kapital von 181 Pfund, also 4500 Franken. Das Geschäft wurde unterdessen auch auf Tee und Tabak ausgedehnt. Die Pioniere waren auf dem Weg zur „Allgemeinen Konsumgenossenschaft“.

Die Konsumgenossenschaften des Verbandes schweiz. Konmsumvereine haben ihre Wurzeln in unserer vielhundertjäjhrigen Überlieferung. Sie entsprechen aber genau den Grundsätzen der Rochdaler Pioniere: jedes Mitglied eine Stimme, ob es einen oder mehrere Anteile besitzt, Barzahlung und Verteilung des Überschusses am Ende des Jahres im Verhältnis der gemachten Einkäufe.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Der Genossenschafter ist seines Glückes Schmied!

Die Redlichen Pioniere von Rochdale beschlossen schon nach einem Jahr, durch strenges Sparen und Werbung neuer Genossenschafter ihr Genossenschaftskapital von 4500 auf 25,000 Franken zu bringen. Jedes Mitglied musste sich zur Leistung von 25 Franken Anteil verpflichten, woran es wöchentlich 36 Rappen abzuzahlen hatte. Das verlangte von armen Arbeitern eine grosse Energie im Entbehren. Aber sie haben es fertig gebracht. Ihre Genossenschaft war zugleich auch ihre Sparkasse.

Die Konsumgenossenschaften unseres Landes und der VSK sind ebenfalls eine Sparkasse des Volkes. Denn es hat in seinen 546 Konsumgenossenschaften 106 Millionen an Anteilscheinen, Depositen und Obligationen angelegt, verfügt aber heute in diesen Genossenschaften über ein Betriebskapital von 221 Millionen Franken.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu!

In 13 Jahren verachtfachte sich das Kapital pro Kopf des Genossenschafters. So gewaltig haben die 28 Pioniere von Rochdale ihr Unternehmen in die Höhe gebracht. Der Reinüberschuss betrug 1845 ganze 825 Franken. Aber 1857 war er bereits auf 136,750Franken angewachsen. Das brachten die Pioniere dadurch zuwege, dass sie anfänglich den Überschuss nur zur Verbesserung ihres Unternehmens verwendeten und ihre Rückvergütung jahrelang in der Genossenschaft arbeiten liessen. So sieht man, was Zusammenhalten und Sparen fertigbringt.

In der Schweiz haben sich gegenwärtig von 1 Million Familien deren 430,000 in 546 Konsumgenossenschaften zusammengeschlossen. Jede zweite Schweizerfamilie ist Mitglied einer Konsumgenossenschaft.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Über die ganze Welt

hat sich die Entdeckung der Redlichen Pioniere von Rochdale verbreitet: „Die Käufer können mit Sparen und Zusammenhalten ihr eigenes Geschäft aufbauen.“ Über 43,000 Konsumgenossenschaften arbeiten auf der ganzen Welt mit zusammen 51 Millionen Mitgliedern. Sie kaufen jährlich für 47 Milliarden Franken Ware bei sich selbst ein, nämlich in ihrem eigenen Unternehmen, das ihnen selbst gehört.

In der Schweiz haben sich 546 Konsumgenossenschaften zusammengeschlossen im Verband Schweiz. Konsumvereine. Also genau so, wie die Kantone — jeder selbständig in seinen Geschäften — sich vereint haben in der Eidgenossenschaft.

Genossenschaft aus eigener Kraft!

Im VSK Verband schweiz. Konsumvereine

zeigt sich so ganz richtig, dass in unserem Lande das Volk auch wirtschaftlich regieren kann. Denn der VSK gehört den 546 Konsumgenossenschaften. Und diese 546 Genossenschaftengehören dem Volk, das zu ihrer Gründung die Anteilscheine gezeichnet hat. Der VSK aber, dieser Bundesstaat der Konsumenten, ist der grösste Einkäufer im Lande ; er bedient 430,000 Familien, also die halbe Schweiz. Er besitzt eigene Mühlen, eigene Fabriken für Schuhe, eigene Landwirtschaft, Bank und Versicherung, eigene Schulen und Ferienheime. Nicht Millionäre haben dies geschaffen, sondern Anteile zu 10 Franken, 20 Franken des kleinen Mannes — genau nach dem Vorbild der 28 Pioniere von Rochdale. Schliessen Sie sich den Pionieren an. Werden Sie Mitglied einer VSK-Konsumgenossenschaft.

oeffentlich/28_maenner_helfen_sich_selbst.txt · Zuletzt geändert: 2022/05/13 11:20 von pop

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