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oeffentlich:25jahre:vertrag_mit_dem_v.s.k._vom_1._4._november_1941

I. Vertrag mit dem V. S. K.

vertrag_mit_dem_v.s.k._vom_1.-4._november_1941.pdf


vom 1./4. November 1921

VERTRAG

Zwischen dem
Verband Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.) Basel

vertreten durch die Verwaltungskommission als gesetzlicher Vorstand
einerseits und der Genossenschaft
Siedelungsgenossenschaft „Freidorf„ in Muttenz

vertreten durch deren Verwaltungsrat als gesetzlicher Vorstand
anderseits ist heute folgender Vertrag vereinbart worden:

Art. 1.

Der Verband Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.) hat der Siede-
lungsgenossenschaft Freidorf in Muttenz als Stiftungskapital den
Betrag von Fr. 7,515,140.87 übergeben, um damit die Siedelung zu
erbauen.

Die mit diesem Stiftungskapital erworbenen Liegenschaften, die
darauf errichteten Gebäude und Anlagen jeder Art sind Eigentum
der Siedelungsgenossenschaft Freidorf.

Sie dürfen ihrem Zwecke, wie er in den Statuten der Genossen-
schaft Freidorf und in diesem Vertrag näher umschrieben ist, zu
keinen Zeiten entfremdet werden.

Sollte diese Bestimmung von seiten der Siedelungsgenossenschaft
Freidorf verletzt werden, so fällt der genannte Liegenschaftsbesitz mit
Gebäuden und Anlagen ohne jede Gegenleistung an den Verband
Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.).

Dieser hat alsdann die Pflicht, das zurückgefallene Eigentum
gemäss dem in diesem Vertrag umschriebenen Zweck zu verwenden.

Art. 2.

Die Siedelungsgenossenschaft Freidorf verwaltet als Eigentümerin
der ganzen Anlage die Liegenschaften, Gebäude und Anlagen durch
ihre Organe gemäss ihren Genossenschaftsstatuten und den Bestim-
mungen dieses Vertrages.

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Art. 3.

Die Statuten der Genossenschaft Freidorf sind in der konsti-
tuierenden Generalversammlung vom 20. Mai 1919 festgestellt worden.
Sie enthalten den Zweck der Genossenschaft und die Grundsätze, auf
welchen sie aufgebaut ist. Des fernem sind Zweck und Grundsatz
enthalten im Jahresbericht der Genossenschaft für das Jahr 1920
sowohl, als auch in den Leitsätzen und Erziehungsprinzipien, wie sie
von der Genossenschaft aufgestellt worden sind.

Die Statuten dürfen nur mit Zustimmung des Verbandes Schweiz.
Konsumvereine (V. S. K.) geändert werden. Das gleiche gilt auch
für die Änderung der festgesetzten Mietzinse.

Art. 4.

Der Zweck der Siedelungsgenossenschaft Freidorf ist die Förde-
rung der sozialen Wohlfahrt und die Verbesserung der Lebenshaltung
ihrer Mitglieder. Die Genossenschaft ist parteipolitisch und konfes-
sionell neutral und schliesst agitatorische Bestrebungen dieser Art
in ihrem Kreise und auf ihrem Boden aus. Wie sie anderseits das
Recht der persönlichen Meinungsäusserung ihrer Mitglieder in keiner
Weise beeinträchtigt, so hält sie für diese und die Organe der Ge-
nossenschaft an der freien und vollen Entwicklung der dem genossen-
schaftlichen Gemeinschaftsleben wesentlichen Prinzipien fest.

Art. 5.

Die Siedelungsgenossenschaft Freidorf hat die Aufgabe:

a) durch Vermietung von Einfamilienhäusern mit rationell einge-
richteten Wohnungen und mit Gärten das Wohnungsbedürfnis der
Mitglieder zu befriedigen;

b) die Idee des Genossenschaftswesens im allgemeinen zu fördern und
auf dem Gebiet der Erziehung im Sinne der genossenschaftlichen
Prinzipien nach Heinrich Pestalozzi tätig zu sein.

Art. 6.

Die Genossenschaft sucht ihre Zwecke nach den Bestimmungen
des § 2 der Statuten u. a. zu erreichen:

a) durch Ankauf von Bauland, Errichtung und Vermietung von
Wohnhäusern;

b) durch gemeinsame Beschaffung der im Haushalt ihrer Mitglieder
benötigten Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände;

c) durch Anschluss an den V. S. K. und an die innerhalb desselben
bestehenden oder entstehenden Unterverbände oder Zweck-
verbände.

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Art. 7.

Die Liegenschaften und die darauf errichteten Gebäude und An-
lagen dürfen ohne Zustimmung des Verbandes Schweiz. Konsumvereine
(V. S. K.) weder veräussert noch belastet werden.

Diese Bestimmung gilt in allen Fällen ohne Ausnahme, also auch
im Falle einer Liquidation der Siedelungsgenossenschaft, erfolge sie
nun durch Verzicht auf den Zweck oder infolge Fusion mit einer
andern Genossenschaft.

Im Falle der Liquidation infolge Verzichtes auf den Zweck fallen
die Liegenschaften mit den darauf errichteten Gebäuden und Anlagen
ohne jede Gegenleistung im Sinne des Art. 1 dieses Vertrages an den
Verband Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.).

Im Falle der Liquidation infolge Fusion mit einer andern Ge-
nossenschaft sind die Liegenschaften nebst Gebäuden und Anlagen
nicht im Genossenschaftsvermögen des § 62 (neu § 61), letzter Ab-
schnitt, der Statuten der Siedelungsgenossenschaft Freidorf inbegrif-
fen. Sie dürfen ohne Zustimmung des Verbandes Schweiz. Konsum-
vereine (V. S. K.) nicht auf die Genossenschaft, mit der die Siedelungs-
genossenschaft Freidorf fusioniert, übertragen werden.

Der Fusionsvertrag untersteht überdies der Genehmigung des
Verbandes Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.).

Art. 8.

Die jährlichen Überschüsse, die sich laut Betriebsrechnung für
die Liegenschaften nebst Gebäulichkeiten und Anlagen der Siedelungs-
gcnossenschaft Freidorf in Muttenz ergeben, sind dem Verband
Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.) zu übermitteln. Dieser hat sie einer
noch zu errichtenden Stiftung zu den gleichen Zwecken, die bei Grün-
dung des Freidorfes beabsichtigt waren, zuzuweisen.

Art. 9.

Wenn infolge Aufhörens der Mitgliedschaft oder aus andern
Gründen Häuser in der Siedelungsgenossenschaft Freidorf frei werden,
so hat der V. S. K. das Recht, solche Häuser für sein Personal zu
verwenden. Infolgedessen steht ihm das Recht zu, Personen zur Auf-
nahme in die Siedelungsgenossenschaft Freidorf zu bezeichnen, und
die Siedelungsgenossenschaft hat die so bezeichneten Personen auf-
zunehmen und mit ihnen den Mietvertrag über das frei werdende Haus
abzuschliessen. Es ist somit die Siedelungsgenossenschaft Freidorf
verpflichtet, von jedem Freiwerden eines Hauses dem V. S. K. sofort
nach Freiwerden Kenntnis zu geben; der V. S. K. hat innert 30 Tagen
das Recht, die Person, deren Aufnahme verlangt wird, zu bezeichnen.

Wird kein Vorschlag gemacht, so kann die Siedelungsgenossen-
schaft Freidorf frei über das freigewordene Haus im Sinne der Sta-
tuten verfügen.

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Art. 10.

Der Verband Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.) ist berechtigt,
die Einhaltung der Bestimmungen der Statuten und dieses Vertrages
sowie die ganze Geschäftsführung der Siedelungsgenossenschaft Frei-
dorf durch einen durch die Verwaltungskommission des V. S. K. be-
zeichneten Delegierten zu überwachen. Dieser ist zu allen Sitzungen
des Verwaltungsrates und der Kommissionen, sowie zu den General-
versammlungen einzuladen; er hat das Recht, an allen Verhandlungen
teilzunehmen, in die Diskussion einzugreifen und Anträge zu stellen.

Als Delegierter des V. S. K. wird B. Jaeggi, der im Jahre 1919
die Initiative zur Gründung der Siedelungsgenossenschaft Freidorf
ergriffen hat, bezeichnet.

Art. 11.

Dieser Vertrag darf, da seine Grundlage dem ganzen Wesen
nach eine dauernde ist, niemals gekündet werden.

Änderungen dürfen nur im beidseitigen Einverständnis vorge-
nommen werden.

Also beschlossen in der Sitzung der Verwaltungskommission des
Verbandes Schweiz. Konsumvereine (V. S. K.) am 1. November 1921.

Der Präsident: Der Sekretär:

B. Jaeggi. E. O. Zellweger.

So beschlossen in der Sitzung des Verwaltungsrates der Siede-
lungsgenossenschaft Freidorf am 4. November 1921.

Der Präsident: Der Sekretär:

Joh. Frei. Aug. Lacoste.

Zu vorstehendem Vertrag äusserte sich die Verwaltungskommis-
sion des V. S. K. im Rechenschaftsbericht über die Tätigkeit der Ver-
bandsbehörden im Jahre 1921 folgendermassen:

«Der klare Wortlaut dieses Vertrages erübrigt eigentlich weitere
Ausführungen. Immerhin möchten wir gleichwohl die Aufmerksamkeit
auf Art. 8 lenken, wonach die jährlichen Überschüsse, die sich aus

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der Liegenschaftsverwaltung ergeben, nach Vornahme der erforder-
lichen Amortisation und Rückstellungen dem V. S. K. überwiesen wer-
den müssen, der diese Beträge einer noch zu errichtenden Stiftung
zu gleichen Zwecken, die bei Gründung des Freidorfes beabsichtigt
waren, zuwenden muss. Bei der Annahme, dass die Liegenschaften
der Siedelungsgenossenschaft Freidorf alljährlich einen Mietzins von
rund Fr. 140,000.— einbringen und die Hälfte für den Unterhalt, den
Ausbau und Amortisationen etc. verwendet werde, so dürften voraus-
sichtlich regelmässig Fr. 70,000.— pro Jahr für die neue Stiftung
zurückgelegt werden können. Diese Einlagen und die kapitalisierten
Zinserträgnisse würden gestatten, nach 38 Jahren eine weitere Siede-
lung, nach weiteren 27 Jahren eine dritte und nach weiteren 21 Jahren
eine vierte Siedelung zu erbauen. Nach 100 Jahren wären fünf Siede-
lungen erbaut, von der Annahme ausgehend, dass jede Siedelung
rund 7 V2 Millionen Franken erfordern würde. Da jede Siedelung gleich
wie die erste die jährlichen Überschüsse dieser Stiftung zur Förderung
von Siedelungsgenossenschaften zuzuweisen hätte, so wären, wenn wir
die Sache theoretisch weiterspinnen, nach 300 Jahren die dannzumal
eingehenden Zinserträgnisse derart gross, dass nahezu jedes Jahr eine
Siedelung im Werte von 7 V2 Millionen Franken errichtet werden
könnte. Wenn wir uns auch nicht über die Gestaltung der Verhält-
nisse nach drei Jahrhunderten aussprechen können, so zeigen diese
Zahlen immerhin, welch grosser Gedanke in der Siedelung ruht und
welch grosse soziale Wohlfahrt sie für spätere Generationen zu
bringen imstande sein wird. Auch die Siedelung rechtfertigt somit den
Gedanken, dass nicht nur Böses immer Böses schafft, sondern auch
dass das Gute immer Gutes wird gebären und durch alle Zeiten wirkt.
Die Verwaltungskommission erachtet als selbstverständlich, dass die
zweite Siedelung nicht in der Nähe Basels, sondern in einem andern
Teile der Schweiz errichtet werden soll.

Die Verwaltungskommission beauftragte die Herren B. Jaeggi und
Dr. R. Kündig mit der Abfassung der Stiftungsurkunde und übertrug
ihnen in Verbindung mit einem Vizepräsidenten des Aufsichtsrates,
Herrn Dr. A. Suter, Lausanne, die Verwaltung der neuen Stiftung.
Als Rechtsdomizil der neuen Stiftung wurde Muttenz im Kanton Basel-
land erwählt.»
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oeffentlich/25jahre/vertrag_mit_dem_v.s.k._vom_1._4._november_1941.txt · Zuletzt geändert: 2022/05/13 16:18 von pop

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